Sonntagnachmittag, Radweg am Main

Akuter Lebensgefahr setzt sich ein jeder aus, der sich mit dem Fahrrad an einem beschaulichen Sonntagnachmittag auf den Radweg am Main zwischen Würzburg und Randersacker wagt. So viele, so unterschiedliche Gefahren. Und so viele skurrile Menschen, die bestes Material sind, um über sie abzulästern.

Gefahr #1: Inline-Skater-Pärchen, frisch verliebt und bumsfidel, die a) auf dem Radweg und b) händchenhaltend ohne Rücksicht auf Verluste nur sich selbst sehen und sonst niemanden. Bei einem dezenten „Vorsicht, bitte“ zeigen sich dann die fehlenden Talente, diese modernen Rollschuhe zu beherrschen und das Pärchen weiß nicht, ob es auf den Radweg oder in den Grünstreifen stürzen soll. Selbst schuld, wenn sie auf meinem Radweg fahren, nur hätten sie sich dagegen entscheiden sollen, sich vor mir auf den Weg zu werfen. Die Wegwerfgesellschaft eben.

Gefahr #2: Senioren-Wandergruppen. Ganz gefährlich. Die Männer laufen paarweise und unterhalten sich, die Frauen laufen am besten alle nebeneinander, um sich gleichzeitig mit Männlein und Weiblein zu unterhalten. Den Männern auszuweichen erweist sich als verhältnismäßig ungefährlich, gefährlich wird es, wenn die Herren ihren Damen zurufen, sie sollen Acht geben. Dann verfällt die Frauengruppe in aufgeregtes Geschnatter, verteilt sich erst recht auf dem ganzen Weg und erschrickt sich im Kollektiv.

Gefahr #3: Junge Familien, allesamt mit dem lieben Velocipel unterwegs. Das ältere Kind kann gerade ohne Stützräder fahren und freut sich, sich wenigstens in Schlangenlinien fortbewegen zu können. Das kleinere Kind ist gerade Mamas Sattel entwachsen – Papa hat schließlich das tolle Bike ohne Sattel – und fährt auf Stützrädern ebenfalls Schlangenlinien. Selbstverständlich fahren alle nebeneinander und bei Gegenverkehr ruft als erster der Papa, alle sollen hintereinander fahren, vergissst dabei aber selbst, sich einzuordnen und verliert beim verzweifelten Versuch, weder mich noch seine Kinder umzufahren, beinahe das Gleichgewicht, weil er sich gleichzeitig auch noch entschuldigen muss.

Gefahr #4: Die Nordic-Walker und sonstige Spaziergänger mit und ohne Stöcken bzw. Tchibo-Athletic-Wear, die derart mit Quatschen beschäftigt sind, dass der zeitweise gemeinsame Rad- und Fußweg einfach komplett in Beschlag genommen wird und alle anderen eben über den Haufen gerannt werden und dafür noch beschimpft werden, dass ein bisschen Rücksicht noch niemandem geschadet hätte. In solchen Momenten wünsche ich mir einen Panzer.

Gefahr #5: Seniorengruppen, die ihren Sonntagsausflug auf dem Fahrrad am Main verbringen und sich ähnlich verhalten wie die unter #4 beschriebenen Spaziergänger und dabei Schlangenlinien fahren wie die Zweirad-Anfänger aus #3. Gegenverkehr nimmt kaum einer wahr, überholende andere Radler sind Luft. Deren verzweifelte Rufe werden überhört oder gar nicht gehört, dafür schimpft anschließend die gesamte Gruppe wie verrückt, ob ich nicht klingeln könnte. Als ob die das gehört hätten… So eine Druckluft-Hupe, wie sie der Uhrobloge hat, ist schon was Feines, allerdings beschweren sich da auch wieder alle. Wem kann man es schon recht machen?

Gefahr #6: Größte Gefahr geht von älteren Ehepaaren aus, die mit dem Fahrrad halb hintereinander, halb nebeneinander einen gemütlichen Ausflug am Main unternehmen. Auf den Sattel haben beide diese viel zu kleinen und unpraktischen karierten Taschen mit Reflektoren geschnallt, in denen Proviant und/ oder die Batterie für den kleinen Motor untergebracht sind. Am Lenker haben sie beidseits überdimensional große Spiegel, die aber offensichtlich immer falsch eingestellt sind. Kommt nämlich dann mein übliches „Vorsicht, bitte“, fängt als erstes der Mann, der leicht versetzt neben/ hinter seiner Frau fährt, an, in seinem Spiegel zu suchen, wer da jetzt von hinten kommen könnte. Dabei wackelt er so auf seinem Fahrrad hin und her, dass ich schon wieder bereut habe, überhaupt auf mich aufmerksam gemacht zu haben. Überholen wäre hier lebensgefährlich. Für beide. Vati findet mich dann endlich in seinem Spiegel und gleichzeitig das Gleichgewicht wieder und warnt nun seine Frau, die mein Rufen nicht gehört hat, vor einem Radfahrer, der überholen will und weil sie auch Spiegel hat, fängt das gleiche Schauspiel von vorne an. Suchen, Wackeln, Finden, um dann vor lauter Schreck in den Grünstreifen abzukommen.

Jedes nicht angeleinte Kleinkind ist weniger gefährlich und leichter berechenbar als all die durchgeknallten Spaziergänger und Sonntagsradler, die wohl selbst mehrere Sonntagsradler intus haben. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal am Sonntag in einen ruhigen Wald flüchten anstatt am Main auf dem Radweg mit dem Fahrrad zu fahren. Mit dem Mountain-Bike, das dann keinen Achter mehr hat.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

15 Kommentare

  1. Deswegen meide ich den f*** Radweg zw. Wü und OCH. Da kannste keinen ernsthaften Radsport treiben. Findest keinen Rhythmus 🙁
    Dann lieber auch der Bundesstrasse, oder besser
    a) Randersacker -> Lindelbach -> Eibelstadt -> Sommerhausen (alte Bundesstrasse) -> Erlach -> Ochsenfurt
    b) Randersacker -> Theilheim -> Westheim -> Kaltensondheim -> Erlach -> Ochsenfurt

  2. Da kann man dann nur leider keine Leute kucken… Eine Gruppe habe ich noch ganz vergessen: Menschen, die alleine unterwegs sind und gierig Ausschau nach nacktem Fleisch in den Wiesen halten. Die fahren auch Schlangenlinien und erschrecken recht heftig bei einem lauten „Ey“.
    Ab dem Anker in Sommerhausen ging es dann.

  3. ich habe zur g8-zeit mal was über fehlende straßenbahngangstagschichtli geschrieben. genau solche sachen habe ich damit gemeint. DANKE

  4. Straßenbahn fahre ich kaum noch, seit ich keinen Studentenausweis mehr mein Eigen nenne. Vermisse es aber auch. Ich sollte mal einen Projekttag machen.

  5. Sonntags nie – jedenfalls den Radweg zwichen Och und Wü

    Habe gerade auch einen Text veröffentlicht über bescheidene Radwege in und um Kitzi.Am Sonntag mußte ich bei Haidt, also nicht auf der A3, sondern dem radweg gleich daneben ein paar Pferde mit ihren Reiterinnen verscheuchen.

    Wir können ja mal eine kleine Abstimmung machen wo der beschissenste Radweg verläuft

  6. Die Radwege aus Würzburg raus sind ja eigentlich sehr schön, aber eben nicht am Sonntag, wenn der Bierbauch und der Nachwuchs gelüftet werden. Offensichtlich besagt ein ungeschriebenes Gesetz, dass Fußgänger gar keine Rücksicht nehmen müssen und Radgruppen nur sehr eingeschränkt.
    Schotterradwege sind grundsätzlich eine Unverschämtheit.

  7. au ja. wir fahren einen nachmittag lang straßenbahn, trinken fanta, spielen tipp kick und schauen bud-spencer-filme.

  8. Wir können das gerne in die Tat umsetzen. Da ist nichts dabei, was ich blöd finde. Statt Fanta könnten wir auch Bluna trinken.

  9. also ich muss jetzt mal ne Lanze für die Würzburger Radwege brechen..wir sind da echt verwöhnt und jammern auf hohem Niveau..hier am Rhein ist das mit dem Schotter standard, vermisse die Mainradwege zum Skaten doch!
    Aber letztendlich ist mal mit dem Rennvelo einfach zu schnell für „normale“ Radwege…und die meisten Leute sind einfach zu unaufmerksam…ich sach nur airzound 100 + x dB 😉 (bei ca. 100g)

  10. und nix gegen tchibo athletic wer? Hab da ein paar Rad-Unterhemden welche ich derart gut nirgendwo sonst für nen 10er bekommen hätte! Allerdings gilt das nicht für alles vom Kaffeespezialisten..der oft zu viel Schnick und Schnack an die unselektiv vollausgestatteten Sportler mit abverkauft. Aber für den kleinen Geldbeutel mit etwas Verstand sind ca. 1.2% des Sortiments echte Knaller 😉

  11. Das ist aber nur sehr selektiv und im Stadtverkeher einzusetzen, sicher nicht aufm Radweg (nur manchmal 😉 )

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