Unendliche Geschichte: Doping im Radsport

Bei Reinhold Beckmann hat Bert Dietz, ehemaliger Profi im Team Telekom, gestanden, in seiner gesamten Zeit als Profi systematisch mit EPO und Wachstumshormonen gedopt zu haben. Er bestätigte dabei Angaben des einstigen Telekom-Betreuers Jef d’Hont, der vor einigen Wochen mit einem Enthüllungsbuch die Lawine im Umfeld vom heutigen Team T-Mobile ins Rollen gebracht hat. Er sprach über seine persönlichen Dopingpraktiken und belastete dabei auch die beiden Freiburger Ärzte H. und S., gegen die zur Zeit ermittelt wird und die zum Stab des deutschen Profiteams gehörten. Andere Teammitglieder wollte er nicht an den Pranger stellen, er berichtete ausschließlich über seinen eigenen Standpunkt, anderes stehe ihm nicht zu. Um das Ziel, eines Tages einen sauberen Radsport zu haben, erreichen zu können, plädierte Dietz für eine Amnestie, damit nicht Fahrer über frühere Geschichten stolpern, die eigentlich sauber fahren wollen.

Ein sehr interessantes Gespräch zu einem heiklen Thema. Einerseits sind knapp 50 Fahrer, die in die Affäre um den spanischen Arzt Fuentes verwickelt sein sollen, vom aktiven Geschehen ausgeschlossen und sahen sich wie z.B. Jan Ullrich zum Karriereende gezwungen, andererseits versuchen die anderen verzweifelt, das Bild vom sauberen Radsport aufrecht zu erhalten und geben an, von nichts etwas gewusst zu haben oder zu wissen. Sehr problematisch, die Zwickmühle, in der viele Fahrer zu stecken scheinen, konnte Dietz doch recht eindrucksvoll schildern: Fahre, fahre gut, tue alles dafür, Erfolg zu haben, sonst stehst du vielleicht morgen ohne Vertrag da. Der Leistungsdruck scheint immens, Doping fast unumgänglich und deshalb gilt es umso mehr, diesen Sumpf trocken zu legen. Die alten Vergehen aufzuwärmen, davon halte ich als Radsportfan auch nichts. Ein Neuanfang ist ein Neuanfang, da zählt dann die Scheiße von gestern auch nicht mehr, heute gilt es, einen dopingfreien Sport zu gewährleisten: Solange es einer macht, werden es die anderen auch tun, irgendwie, irgendwann. Ein öffentliches Geständnis wie das von Dietz verdient Anerkennung.

Nachtrag: Einen Tag nach Dietz‘ Geständnis hat auch der frühere Telekom-Fahrer und heutige Gerolsteiner-Verantwortliche Christian Henn gestanden, in besagter Zeit mit EPO gedopt zu haben. Es ist an der Zeit, dass auch die anderen Fahrer endlich reinen Tisch machen und zu ihrer Vergangenheit stehen. Auf geständige Fahrer zeigt man sicher weniger mit dem Finger als auf die, die beharrlich beteuern, nie manipuliert zu haben. Ohne ging es in dieser Zeit offensichtlich nicht… Ich bin mal gespannt, wann die ersten fordern, Ullrichs Toursieg abzuerkennen. Den bekäme dann der unschuldige Zweite mit der blütenweißen Weste zuerkannt, oder was?

Inzwischen ist auch klar, warum während der Sendung für mehrere Momente ein fieser Piepton über Dietz‘ Aussage gelegt wurde und die Sendung nicht online abrufbar ist – es ging explizit um die damalige Teamleitung. Gute Recherche, mir war das zu aufwändig, gewundert hatte ich mich auch.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

4 Kommentare

  1. ich finde das sehr mutig, immerhin gibt es noch eine nicht kleine Lobby hinter all dem. Schade dass andere nicht so mutig, ehrlich sind, denn wenn so viele dopen, dann kann man ohne meiner Meinung nach gar nicht gewinnen…und dann wird die Liste erst noch richtig lang…

  2. also ich fand den typ, der im sportsudio war, besser. der hat eingesehen, dass doping der falsche weg ist … nachdem er fast gestorben wäre, weil er gedopt war.
    „im himmelreich ist mehr freude über einen reuigen Sünder, der umkehrt, als über 1000 gerechte“ (aus einem internationalen bestseller)
    aber bei dem spanischen … (man darf ja wieder keinen beleidigen) wäre es besser gewesen, er wäre vor dem sportstudio umgekehrt.

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